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Über mich

Christa Wüthrich ist freie Journalistin. Als Autorin, Lehrerin und IKRK Delegierte hat sie im In- und Ausland gearbeitet.

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Und was meint der Mond dazu?

Und was meint der Mond dazu?

Ob Fingernägel schneiden, Kartoffeln setzen oder das Auto verkaufen: Der Appenzeller Kalender gibt den richtigen Zeitpunkt vor – und das seit 300 Jahren! Das Appenzeller Volkskunde-Museum in Stein widmet dem Kalender nun eine Sonderausstellung. 

Im 18.Jahrhundert gab es im Appenzellerland keine Druckerei. Zeitungen und Bücher waren selten. Als Schulbuch konnten die Eltern ihren Kindern mitgeben, was immer sie Lesbares fanden: die Bibel, alte Zeitungsblätter oder den Appenzeller Kalender: Ein weisses handliches Büchlein, verfasst vom einheimischen Johannes Tobler, erstmals gedruckt 1721 im deutschen Lindau und von einer Appenzeller Tagelöhnerin zusammengenäht. 

Im Zentrum der Schrift stand ein Mondkalender. Der Landbevölkerung diente er als Orientierungshilfe bei der Datumszählung, kirchlichen Feiertagen, aber auch als Ratgeber bei der Feldarbeit und der Pflege von Mensch und Tier. Ein Unterhaltungsteil mit Geschichten von exotischen Tieren und fremdartigen Völkern ergänzte den Kalender. Doch nach 1800 wurden in den Schulen der Frontalunterricht und Schulbücher eingeführt. Der Appenzeller Kalender verschwand aus den Schulstuben. 

Je nach Stand des Mondes wurde früher und auch heute noch gesät, gejätet, gemistet, erworben oder verkauft, Haare geschnitten, Bluthochdruck behandelt oder Fastenkuren begonnen.

Beliebt blieb er aber immer. Er gilt bis heute als auflagenstärkster Kalender der Schweiz. 1910 wurden 80’000 Exemplare des Kalenders gedruckt. Fürs kommende Jahr, die 300. Ausgabe, stehen noch 15 000 Exemplare zum Verkauf bereit. Zu diesem Anlass präsentiert das Appenzeller Volkskunde-Museum in Stein AR eine Sonderausstellung, welche die Geschichte des Kalenders aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. 

Jäten, misten, Haare schneiden 
Das zentrale Element des Kalenders ist auch heute noch der astronomische Lauf des Mondes. Mondphasen, Mondalter, Mondknoten und Mondhöhe werden genauestens analysiert. Jedes Datum ist mit sogenannten «Erwählungen» versehen. Das sind kleine schwarze Symbole, die auf Mondregeln basieren und aufzeigen, wann der beste Zeitpunkt für Verrichtungen in der Landwirtschaft, im Haushalt oder der Körperpflege ist. 

Heute stellt die Nasa das Datenmaterial gratis zur Verfügung. Für den Appenzeller Kalender berechnet dann Astronom Marcel Prohaska, Leiter der Sternwarte Sirius im Berner Oberland, die Planetenpositionen, ausgerichtet auf den Dorfplatz in Herisau.

Je nach Stand des Mondes wurde früher und auch heute noch gesät, gejätet, gemistet, erworben oder verkauft, Haare geschnitten, Bluthochdruck behandelt oder Fastenkuren begonnen. Zusätzlich ist jeder Kalendertag mit Informationen zu Namenstag, Mondlauf, Himmelserscheinungen, Tageslänge und mutmasslicher Witterung versehen. Im Vergleich zum Mondkalender, der sich in der Gestaltung in den vergangenen 300 Jahren kaum verändert hat, erlebte der «Unterhaltungsbereich» eine Revolution. Wo früher kuriose Geschichten standen, abgeschrieben aus alten Zeitungen und mit abenteuerlichen Bildern illustriert, finden sich heute Reportagen aus dem Appenzellerland. 

Unterhaltung mal anders: Alter Appenzeller Kalender (Photo Wüthrich)

Kalendermacher Johannes Tobler nutzte im 18. Jahrhundert die Daten bekannter Astronomen und Mathematikerinnen, um die Konstellationen der Gestirne zu berechnen. Heute stellt die Nasa das Datenmaterial gratis zur Verfügung. Für den Appenzeller Kalender berechnet dann Astronom Marcel Prohaska, Leiter der Sternwarte Sirius im Berner Oberland, die Planetenpositionen, ausgerichtet auf den Dorfplatz in Herisau. 



Die Sonderausstellung läuft bis August 2021. www.appenzeller-museum-
stein.ch Appenzeller Kalender seit 1722 finden Sie auf: www.appenzelldigital.ch/appenzeller- kalender/ 



publiziert in “Tierwelt” (2020/51), Dezember 2020

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