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Über mich

Christa Wüthrich ist freie Journalistin. Als Autorin, Lehrerin und IKRK Delegierte hat sie im In- und Ausland gearbeitet.

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Verteilen statt wegwerfen

Verteilen statt wegwerfen

ÜBERSCHUSS ⋅ «Tischlein deck dich» gibt einwandfreie Lebensmittel an Menschen mit einem kleinen Budget ab – seit September auch in Speicher. Woher stammt die Ware und wer profitiert davon?

In der Schweiz werden jährlich zwei Millionen Tonnen einwandfreie Lebensmittel vernichtet. Ein grosser Teil davon stammt aus Überproduktionen; sei es das frische überschüssige Brot aus dem Grossverteiler, die unverkaufte Haselnussschokolade vom Detailhändler oder die frischen Boskopäpfel direkt vom Bauernhof. Zahlende Kundschaft gibt es für dieses Überangebot keine mehr – die Lebensmittel würden vernichtet, wäre da nicht die Organisation Tischlein deck dich. 1999 gegründet, verteilt sie die Nahrungsmittel an armutsbetroffene Menschen in der ganzen Schweiz – seit September auch in Speicher.

Wer denkt, dass dahinter ein paar überaktive Gutmenschen stecken, die ihr schlechtes Gewissen betreffend ihrer Konsumhaltung beruhigen möchten, irrt.

Wer denkt, dass dahinter ein paar überaktive Gutmenschen stecken, die ihr schlechtes Gewissen betreffend ihrer Konsumhaltung beruhigen möchten, irrt. «Tischlein deck dich» ist eine professionelle nationale Grossmaschine, aufgeteilt in sieben Sektionen, die gemeinsam Nahrungsmittel von über 800 Produktspendern aus Landwirtschaft, Grosshandel und Industrie koordinieren und verteilen.

Über 3000 Tonnen überproduzierte Nahrungsmittel werden verteilt. (Bild Matthias Käser)

Einen typischen Klienten gibt es nicht
Die Plattform Ost beliefert 43 Abgabestellen. Dabei profitieren jede Woche mehrere Tausend Menschen von der Lebensmittelhilfe. Rund drei Dutzend davon in Speicher, dem ersten und einzigen «Tischlein deck dich» im Appenzellerland. Das Speichner Angebot richtet sich an Menschen mit einem knappen Budget, an Einzelpersonen und Familien in einer finanziellen Notsituation. Einen typischen «Tischlein deck dich»-Klienten gibt es nicht. Vom Angebot – abgegeben für einen symbolischen Franken – profitieren der arbeitslose Mitvierziger, die junge Flüchtlingsfamilie, der verarmte Pensionär oder der Student mit sehr wenig Geld. Die Kundschaft nimmt stetig zu. Im Gründungsjahr 1999 waren es noch 18 Tonnen – das entspricht etwa 72000 Mahlzeiten – welche «Tischlein deck dich» abgab. Heute sind es landesweit über 3000 Tonnen, beziehungsweise fast 16 Millionen Malzeiten.

Doch was geschieht mit den Produkten, die übrig bleiben? Werden sie schlussendlich trotzdem weggeworfen?

Die Eröffnung einer neuen Abgabestelle – wie vergangenen Monat in Speicher – beansprucht rund ein Jahr Planung. Lokalität, freiwillige Helfer, potenzielle Kunden müssen gesichert sein. «Zusätzlich steckt hinter jedem ‹Tischlein deck dich› ein ausgeklügeltes Logistiksystem», erklärt Mina Dello Buono, Kommunikationsverantwortliche von «Tischlein deck dich». «Nach jeder Lebensmittelabgabe verfassen die Abgabestellen einen Rapport. Darauf werden Anzahl Kunden oder die Präferenzen der Produkte erfasst. Ein Verteilschlüssel hält fest, welche Mengen ein Kunde beziehen darf», ergänzt Dello Buono. Doch was geschieht mit den Produkten, die übrig bleiben? Werden sie schlussendlich trotzdem weggeworfen?

Freiwillige im Einsatz; Nahrungsmittel werden bereit gestellt. (Bild Matthias Käser)

Dello Buono verneint vehement. «Die übrig gebliebenen Lebensmittel können an gemeinnützige lokale Institutionen weitergegeben werden», erklärt sie. Mit einem Überschuss an qualitativ gutem Brot sind die Mitarbeitenden der Organisation häufig konfrontiert. Denn seit die Grossverteiler auch abends nochmals frisches Brot backen, hat die Überproduktion massiv zugenommen. «Wir berücksichtigen in solchen Situationen verschiedene Nonprofit-Institutionen – seien es Wohnheime oder Kinderkrippen. In einem zweiten Schritt wird das Brot auch an Reithöfe oder Tierfutterfabriken weitergegeben. Entsorgen bleibt für uns keine Option.»

«Tischlein deck dich» Speicher, reformiertes Kirchgemeindehaus, jeweils freitags 9 Uhr.
Information /Anmeldung , tdd@bluewin.ch / 071 344 10 19.

 

publiziert 23. Oktober 2017, Appenzeller Zeitung

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